Eckpunktepapier für Niedersachssen
In diesem Jahr ist rund die Hälfte der Weltbevölkerung zu Wahlen aufgerufen. Bei der Europawahl am 9. Juni 2024 wählen auch die Bürgerinnen und Bürger des größten Staatenbundes der Erde ihr Parlament. Zugleich geht die Zahl der Demokratien weltweit zurück. Angesichts zunehmender Angriffe autokratischer Kräfte von innen und außen stellt das Jahr 2024 nicht nur ein globales Superwahljahr dar, sondern auch eine echte Bewährungsprobe für die Stabilität und Funktionsfähigkeit unserer liberalen Demokratie.
In den vergangenen fünf Jahren ist der große Aufbruch in Europa ausgeblieben. Reformen wurden verschoben oder blockiert. Für uns steht jedoch mehr denn je fest: Um auf die neuen Herausforderungen von heute angemessen reagieren zu können – sei es in der Verteidigungs-, der Energie- und Klimapolitik oder der Wirtschaftspolitik, braucht es eine starke EU. Wir wollen Europa endlich krisensicher aufstellen und deutlich machen, worin für uns alle der Mehrwert einer gemeinsamen Union liegt und was es zu verteidigen gilt.
Die EU und ihre Werte sind nicht weit weg, sondern machen einen ganz konkreten Unterschied – auch hier bei uns vor Ort. Die Europawahl und ihr Ausgang haben damit eine zentrale Bedeutung für Niedersachsen und unsere Region.
Europas Weg zu mehr Chancen
Die offenen Binnengrenzen sind eine der größten Errungenschaften der EU. Insbesondere junge Menschen profitieren von der Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten, die ihnen Möglichkeiten eröffnet, von denen frühere Generationen nur träumen konnten. Gerade mit Blick auf die benachbarten Niederlande sprechen sich die Jungen Liberalen Niedersachsen gegen jeden weiteren Eingriff in diese Freizügigkeit sowie eine (Wieder-)Einführung bzw. unbegründete Erhöhung von Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen aus. Die Errichtung physischer Grenzen, wie etwa Mauern oder Zäune, an der EU-Außengrenze lehnen wir grundsätzlich ab. Vielmehr fordern wir die niedersächsische Landesregierung dazu auf, sich über den Bundesrat nachdrücklich dafür einzusetzen, dass Deutschland gegenüber den anderen Mitgliedstaaten konsequent für die Einhaltung der Menschenrechte sowie rechtsstaatlicher Mittel stark macht und für eine einheitliche Lösung auf europäischer Ebene eintritt. Weiterhin fordern wir das Niedersächsische Innenministerium dazu auf, mehr Flexibilität bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine zu ermöglichen. So soll das Land Niedersachsen künftig mehr Menschen aufnehmen, als es gemäß des Verteilungsschlüssels der Länder verpflichtet ist, sofern eine Nicht-Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann.
Durch eine Anpassung des Verteilungsschlüssel auf die Kommunen und die Möglichkeit, gezielt Anträge dort zu stellen, wo ggf. bereits die Möglichkeit einer Unterkunft, z.B. bei Verwandten, besteht, soll die Integration verbessert werden. Bildungsabschlüsse sind vereinfacht anzuerkennen bzw. durch unbürokratische Nachprüfungen zügig anzurechnen. Auch die Vermittlung von Fachkräften muss verbessert werden, um die Chancen und das Potenzial der ankommenden Menschen bestmöglich auszuschöpfen. Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels setzen wir uns zudem dafür ein, insbesondere europäische Institutionen im Bereich Bildung, Forschung und Wissenschaft nach Niedersachsen zu holen. Zugleich wollen wir europäische Austauschprogramme, grenzüberschreitende Projekte und Kooperationen wie das eTwinning weiter ausbauen und fördern.
Auch für die niedersächsischen Kommunen und die regionale Entwicklung in unserem Bundesland bietet die EU große Chancen. Die Inanspruchnahme von Förderprogrammen der EU darf aber nicht an zu hohen bürokratischen Auflagen, der Undurchsichtigkeit von Anforderungen oder der Unfähigkeit der kommunalen Verwaltung scheitern. Auf kommunaler Ebene setzen wir uns deshalb für die größtmögliche Ausschöpfung von passenden Förderprogrammen der EU ein. Zugleich fordern wir die Abschaffung des Prinzips der Vorfinanzierung bei EU-Förderungen, die von vielen Kommunen nicht geleistet werden kann. Angesichts der häufig mangelnden Praxistauglichkeit und Realitätsnähe von Vorgaben zur Förderfähigkeit, fordern wir mehr Flexibilität bei den Rahmenbedingungen, damit künftig noch mehr Kommunen als bisher von EU-Förderungen
profitieren können.
Europas Weg zur Klimawende
Niedersachsen kann bei der Bewältigung des globalen Klimawandels eine zentrale Rolle spielen. Wir wollen, dass unser Bundesland ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz wird – in Europa und weltweit. Hierzu wollen wir die natürlichen Standortvorteile Niedersachsens nutzen, um einen Beitrag zur Transformation hin zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft zu leisten. Den Ausbau erneuerbarer Energien, wie On- und Offshore-Windparks oder Freiflächen-Photovoltaik, wollen wir standortgerecht, aber stetig und konsequent vorantreiben. Die Rodung von Wäldern für den Ausbau von Windkraft oder die Umwandlung wertvoller Acker- oder Bauflächen in Flächen für Solaranlagen lehnen wir dabei jedoch ab. Als moorreiches Bundesland sprechen wir uns wo möglich und sinnvoll für die Wiedervernässung trockengelegter Moorflächen zugunsten des Klimaschutzes aus. Hierbei ist jedoch zu prüfen, inwiefern den betroffenen Landeigentümern weiterhin eine wirtschaftliche Nutzung von Moorflächen ermöglicht werden kann, etwa durch die Errichtung von Freiflächen-Photovoltaik-Parks. In Niedersachsen sollen günstige Bedingungen für den Import und die Herstellung von Wasserstoff geschaffen werden. Darüber hinaus sind auch die Potenziale industrieller Carbon-Capture-and-Storage-Methoden in Niedersachsen zu prüfen.
Niedersachsen kann bei der Bewältigung des globalen Klimawandels eine zentrale Rolle spielen. Wir wollen, dass unser Bundesland ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz wird – in Europa und weltweit. Hierzu wollen wir die natürlichen standortvorteile Niedersachsens nutzen, um einen Beitrag zur Transformation hin zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft zu leisten. Den Ausbau erneuerbarer Energien, wie On- und Offshore-Windparks oder Freiflächen-Photovoltaik, wollen wir standortgerecht, aber stetig und konsequent vorantreiben. Die Rodung von Wäldern für den Ausbau von
Windkraft sollte dabei möglichst restriktiv und die Umwandlung wertvoller Ackerbauflächen ab einer bestimmten Bodenpunktzahl in Flächen für Solaranlagen möglichst verhindert werden. Als moorreiches Bundesland sprechen wir uns wo möglich und sinnvoll für die Wiedervernässung trockengelegter Moorflächen zugunsten des Klimaschutzes aus. Hierbei ist jedoch zu prüfen, inwiefern den betroffenen Landeigentümern weiterhin eine wirtschaftliche Nutzung von Moorflächen ermöglicht werden kann, etwa durch die Errichtung von Freiflächen-Photovoltaik-Parks. Niedersachsen soll zudem nicht nur als Importland für Wasserstoff dienen, sondern zukünftig auch verstärkt selbst Wasserstoff herstellen, um insbesondere Stromspitzen abzufangen. Darüber hinaus sind auch die Potenziale industrieller Carbon-Capture-and-Storage-Methoden in Niedersachsen zu prüfen.
Um den Strom dorthin zu transportieren, wo er gebraucht wird, und die gemeinsame europäische Energiegewinnung miteinander zu vernetzen, setzen wir uns für den Bau eines europäischen Supergrids ein. In diesem Zuge fordern wir die Einführung sogenannter Strompreiszonen – wo sinnvoll auch über europäische Binnengrenzen hinaus, um eine gerechte und marktwirtschaftliche Strompreisbildung zu ermöglichen. Mit Blick auf die geringeren Kosten und den geringeren Eingriff in die Bodenstruktur durch die Errichtung von Freileitungen fordern wir die Abschaffung des grundsätzlichen Vorrangs von Erdkabeln beim Bau von Stromtrassen.
Angesichts zunehmender Katastrophenlagen in Folge des globalen Klimawandels, sprechen wir uns für mehr gemeinsame europäische Investitionen in die Klimafolgenanpassung sowie den Katastrophen- und Hochwasserschutz aus. Eine verpflichtende Elementarschadenversicherung zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger, wie sie der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil fordert, lehnen wir ab.
Mit Blick auf den Automobilstandort Niedersachsen fordern wir die Landesregierung dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass Deutschland auch weiterhin als Stimme für Technologieoffenheit bei der Entwicklung klimaneutraler Antriebsarten auftritt. Zugleich sehen wir die Branche selbst in der Verantwortung und sprechen uns für höhere Investitionen in die Forschung sowie den Ausbau klimaneutraler Antriebsarten, Infrastrukturen und Batterietechnologien aus. Vor diesem Hintergrund setzen wir uns
für die Etablierung eines eigenständigen europäischen Lehrstuhls Klima an einem der niedersächsischen Hochschulstandort ein. Dieser soll sich vorrangig mit der Klimafolgenanpassung und den konkreten Herausforderungen zur Bewältigung des globalen Klimawandels beschäftigen.
Europas Weg zu einer Agrarpolitik mit Zukunft
Als Agrarland hat Niedersachsen ein zentrales Interesse an einer Landwirtschaft mit Zukunft. Und auch in Europa wächst mit Blick auf die globalen Krisen und die Versorgungssicherheit die Sensibilität für die Notwendigkeit einer nachhaltig aufgestellten und zukunftsfesten Landwirtschaft. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass unseren Landwirtinnen und Landwirten echte Perspektiven geboten werden. Statt immer mehr Subventionen, wollen wir ihnen mehr Planungs- und Investitionssicherheit gewährleisten. Richtlinien auf EU-Ebene müssen langfristig und zuverlässig gestaltet werden. Regelungen, wie die Ausweisung sogenannter Roter Gebiete im Rahmen der Düngeverordnung, müssen EU-weit vergleichbar umgesetzt und an Wissenschaft und Praxistauglichkeit ausgerichtet werden. Die Pflicht zur Stilllegung von 4 % der Ackerflächen lehnen wir grundsätzlich ab – auch über das Jahr 2024 hinaus. Zudem sprechen wir uns gegen einen deutschen Sonderweg bei der Zulassung und Beschränkung von Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat aus, damit unsere moderne Landwirtschaft auch
in Zukunft effizient regionale Lebensmittel produzieren kann.
Wir fordern eine marktwirtschaftliche Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Die flächenbezogenen Direktzahlungen wollen wir schrittweise über einen Zeitraum von 15 Jahren abbauen. Die Wettbewerbsbedingungen der Landwirtschaft wollen wir durch den Abbau von Bürokratie, Offenheit für Innovation (z.B. Grüne Gentechnik und Futtermittel auf Insektenbasis) und gleiche Standards im Europäischen Binnenmarkt stärken.
Europas Weg zu mehr Sicherheit
Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat der russische Diktator Wladimir Putin nicht nur die internationale Sicherheits- und Friedensordnung zerstört, sondern greift aktiv unser freiheitlich-demokratisches Werteverständnis an. Er hat uns gezeigt, dass nur ein starkes Europa sich international wirksam für die Ideen der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einsetzen kann.
Deshalb setzen wir uns für ein Europa ein, in dem Freiheit – durch eine starke Verteidigungspolitik – nach außen und innen geschützt wird. Denn jede und jeder muss das Recht darauf haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen – ohne in ständiger Furcht leben zu müssen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Niedersachsen beim Aufbau einer Europäischen Armee eine besondere Rolle zukommt, indem die niedersächsischen Bundeswehr-Stützpunkten Wunstorf, Wittmund, Munster und Wilhelmshaven durch ihre strategische Bedeutung eine übergeordnete Funktion in der gesamteuropäischen Truppe einnehmen. Hierzu wollen wir
u.a. die Kooperation zwischen den niedersächsischen Bundeswehrstandorten und den niederländischen Streitkräften ausbauen und über das in Münster stationierte 1. Deutsch-Niederländische-Korps hinaus ausweiten. So soll etwa durch gemeinsame Übungen und eine enge Koordinierung der militärischen Aktivitäten zwischen den niederländischen sowie den in Niedersachsen stationierten Soldaten die Integration auf dem Weg zu einer intereuropäischen Armee vorangetrieben werden. Auch die Rüstungsindustrie in Niedersachsen wollen wir weiter ausbauen, um zukünftig eine nachhaltige und krisensichere Versorgung der Bundeswehr sowie unserer Verbündeten sicherzustellen.
Daneben fordern wir erhöhte Anstrengungen in der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus. Die Verfolgung von international agierenden Straftätern und Terroristen darf nicht an nationalen Grenzen scheitern. Deshalb setzen wir uns für eine engere Zusammenarbeit der europäischen Strafverfolgungsbehörden und eine europäische Koordinierung dieser ein. Dem Schutz der europäischen Bevölkerung vor Terrorismus und anderen innereuropäischen Bedrohungen soll alsKernaufgabe eine herausragende Priorität in der europäischen Politik zuteil werden.
Durch das De-Risking sollen Risiken abgebaut werden, indem die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen systemrelevanten europäischen Institutionen und autokratischen Systemen zurückgefahren werden. Hierbei müssen Lieferketten betrachtet
werden, die für das alltägliche Leben in der EU relevant sind. Besonderer Fokus muss auf Lieferketten zur Produktion von Chips und Medikamenten liegen, welche von Autokraten als Waffe missbraucht werden können.
Europas Wege verbinden
Wir wollen die Mobilität und den Austausch in Europa weiter aufrechterhalten. Hierzu setzen wir uns für eine Stärkung des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs und anderer Infrastrukturen ein. Für Niedersachsen bedeutet dies insbesondere einen zügigen Ausbau der sogenannten Wunderline zwischen Bremen und Groningen sowie die Schaffung transeuropäischer Hochgeschwindigkeitsnetze, z.B. zwischen Berlin und Amsterdam. Auch die Überseehäfen in Niedersachsen wollen wir ausbauen und stärken, indem die Verkehrsanbindung des Jade-Weser-Ports verbessert und die Trassen in der Region Wilhelmshaven und Bremerhaven elektrifiziert werden.
Insbesondere jungen Menschen möchten wir die Möglichkeit geben, Europa in seiner Vielfalt zu entdecken. Wir setzen uns deshalb für ein einheitliches europäisches Bahnticket für Menschen unter 25 Jahre ein, um günstiges Reisen innerhalb der EU zu ermöglichen.
Kooperationen zwischen Städten in Niedersachsen und europäischen Partnerstädten wollen wir weiter ausbauen und stärken. So soll insbesondere der Austausch junger Menschen gefördert werden – auch in Kooperation mit örtlichen Vereinen und Verbänden. In diesem Zuge setzen wir uns auch für eine Stärkung der europäischen Erinnerungs-
und Begegnungskultur ein.
Europa ist unsere Zukunft, sonst haben wir keine
Bei der Europawahl am 9. Juni 2024 geht es um etwas. Sie entscheidet darüber, in welche Richtung sich die Europäische Union in den kommenden Jahren entwickelt und hat damit Einfluss auf die gesamte internationale Politik: Lassen wir es zu, dass unsere demokratische Freiheits- und Friedensordnung durch die Autokraten dieser Welt zerstört wird? Oder kämpfen wir für unsere liberalen Werte und eine gute Zukunft in einem geeinten Europa?
Doch die Europawahl hat auch einen konkreten Einfluss auf die Politik bei uns vor Ort. Ohne die EU würden wir heute in einem anderen Europa, Deutschland und Niedersachsen leben. Wir wollen die Chancen und Potenziale eines geeinten Europas deshalb zukünftig noch stärker als bisher nutzen.
Am 9. Juni 2024 können zum ersten Mal auch 16-Jährige an der Europawahl teilnehmen und damit den Weg in ihre Zukunft aktiv beeinflussen. Als Junge Liberale Niedersachsen rufen wir daher dazu auf:
Nutzt diese Stimme!