„Der Mann, der nichts kann“ scheint Titel und Motto des vom Bundesjustizministerium vorgestellten Entwurfs zur Reform des Vaterschaftsrechts zu sein. Nachdem alle acht Familienrechtsexpertinnen und -experten sich für ein gemeinsames Sorgerecht im Regelfall ausgesprochen haben, erteilte Justizministerin Lambrecht dem eine Absage. Der Anteil des Vaters am Sorgerecht für das gemeinsame Kind soll weiterhin im Ermessen der Mutter stehen. Die Begründung für diese Reformversagung: Potentiell vergewaltigende, alkoholabhängige und/oder gewalttätige Väter, die es erforderlich machen würden, dass jede Mutter im Einzelfall über die Aufteilung des Sorgerechts entscheiden könne. Makaber ist, dass das nur für unverheiratete Frauen gilt. Wird die Mutter zur Ehefrau, hielt und hält es das Recht nicht für erforderlich der Mutter diese vermeintlich so wichtige Letztentscheidungsbefugnis zuzusprechen. Der Ehemann gilt als Vater des Kindes und erhält automatisch das gemeinsame Sorgerecht für das in die Ehe hineingeborene Kind. Daran hält das Ministerium weiterhin fest. Entweder haben wir es hier also mit einer sehr erheblichen Schutzlücke für Ehefrauen zu tun (denn 1997 hielt die rechtliche Erkenntnis Einzug, dass sexualisierte Gewalt auch im Ehebett stattfinden kann). Oder aber alle unverheirateten Väter werden aufgrund einiger tiefschwarzer Schafe ihres Geschlechts in Sippenhaft genommen. In Anbetracht des (glücklicherweise!) äußerst geringfügigen Anteils von gewalttätigen Straftätern unter den verheirateten und unverheirateten Vätern in Deutschland wird letzteres der Fall sein.
Aktuell kann ein unverheirateter Mann das Sorgerecht für sein Kind erlangen, wenn er mit der Zustimmung der Mutter eine Vaterschaftsanerkennungserklärung abgibt und mit erneuter Zustimmung der Mutter das gemeinsame Sorgerecht beantragt. Eine Frau ist qua Geburt rechtliche Mutter des Kindes und als solche denklogisch sorgeberechtigt. Das Bundesjustizministerium ist nun zu einer fadenscheinigen Besserstellung unverheirateter Väter bereit, indem das Verfahren zusammengefasst wird und nur noch einmal die Zustimmung der Mutter erforderlich ist. Ob nun einmal oder zweimal: Mehr als einen längst überfälligen Bürokratieabbau hat das wohl nicht zur Folge. Bei Versagung der Zustimmung bleibt der einzige Weg weiterhin ein familiengerichtliches Verfahren.
Dass ein besonderer Schutz für Härtefälle zugunsten des Kindeswohls existieren muss, ist selbstverständlich. Die juristisch untypische Regelungstechnik den Ausnahmefall zur Regel zu machen, erklärt das aber ebenso wenig, wie die Frage nach einer Härtefallregelung zugunsten Vater und Kind bei einer kindeswohlgefährdenden Mutter. Möglich wäre es ohne Weiteres, die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft in dieser Hinsicht mit der Ehe gleichzustellen und nur ungebundene Elternverhältnisse dem Zustimmungserfordernis zu unterwerfen. Denkbar ist es auch, die Zustimmung der Mutter in eine Art Vetorecht mit kombiniertem Automatismus zum Gerichtsverfahren umzukehren. Der Mann, der das Kind als seines anerkennt, gilt vorerst als Vater und erhält das gemeinsame Sorgerecht. Bestreitet die Frau die Anerkennung des Mannes als Vater, könnte sie ein Veto gegen dessen Eintragung als rechtlicher Vater einlegen. Infolgedessen müsste der Mann einen biologischen Nachweis anführen. Ist er tatsächlich der Vater, bestehen aber Bedenken gegen ein gemeinsames Sorgerecht, kann auch hiergegen ein Veto eingelegt werden, wodurch ein familiengerichtliches Verfahren in Gang gesetzt werden würde. Auch so stellt am Ende eine neutrale Instanz die biologische Vaterschaft fest und schützt die Mutter im Falle plausibel dargelegter Gründe, die gegen das gemeinsame Sorgerecht sprechen. Im Unterschied zum Entwurf des Bundesjustizministeriums würden beide Alternativvorschläge aber die Ausnahmefälle und nicht die Regelfälle betreffen.
Entscheidend ist bei den geringen Auswirkungen in der Praxis die gesetzgeberische Wertung, die dahintersteht. Bei Aufrechterhaltung des Zustimmungserfordernisses legt der Gesetzgeber die Vermutung zugrunde, die Mutter sei als Hauptbezugsperson des Kindes fähig für das Kindeswohl zu sorgen, während das bei unverheirateten Vätern zunächst einmal infrage gestellt wird. Eine Lebensgemeinschafts- oder Widerspruchslösung würde beide Eltern als gleichberechtigte Hauptbezugspersonen des Kindes voraussetzen und im begründeten Einzelfall von dieser Annahme abweichen.
Letzteres entspricht der Lebenswirklichkeit mit 91% Familien mit gemeinsamem Sorgerecht, insbesondere aber der Erwartungshaltung, die die Politik an werdende Väter stellt. Wer Progressivität für sich in Anspruch nimmt, kann von Vätern nicht mehr Verantwortungsübernahme im Alltag mit Kindern erwarten und gleichzeitig nicht selbst bereit sein, das tradierte Rollenbild von der Mutter als Hauptversorgerin und dem Vater als Sonntagsspielgast aufzugeben. Eine gleichberechtigte Partnerschaft kann nur dann gelebt werden, wenn auch die Frau sexistische Privilegien ihrer Mutterrolle mit dem Vater des Kindes bereit ist zu teilen.
Das gilt auch in den Konstellationen von lesbischen und schwulen Paaren mit Kinderwunsch. Der Entwurf sieht für lesbische Paare (endlich) ein vereinfachtes Adoptionsrecht der zweiten, nicht-biologischen Mutter vor. Auch hier wäre es der Gleichstellung von heterosexueller und homosexueller Ehe gerechter geworden, anstelle der Adoption eine Anerkennung der zweiten Mutterschaft vorzusehen. Neben diesen Feinheiten sind es aber männliche homosexuelle Paare, die den Kürzeren ziehen: Für sie verändert sich nichts. Dabei wäre auch hier eine Vereinfachung der Adoptionspraxis wünschenswert gewesen.
Während das SPD-geführte Bundesjustizministerium und Frauenrechtsverbände sich in der Debatte um die Familienrechtsreform auf die sonst so unbeliebte Seite der Unionsfraktion geschlagen haben, geht es um viel mehr als um den Streit über eine, keine oder zwei Zustimmungserklärungen einer Mutter. Negative Männlichkeitsbilder prägen weiterhin Recht; und sie prägen Gesellschaft. Vor wenigen Wochen ist eine Studie im British Journal of Psychology erschienen, die für den europäischen Raum zum Nachdenken anregt. Nach dieser werden positive Charakterzuschreibungen von allen Geschlechtern reflexhaft stärker angezweifelt, wenn sie einem Mann anstatt einer Frau zugutekommen. Demgegenüber werden Aussagen über weibliche Überlegenheiten häufiger gelobt und als relevant eingeordnet. Um auszuschließen, dass das einer feministischen Rezeption im Medienkonsum geschuldet ist, wurde die Studie in traditionelleren Gesellschaften des südostasiatischen Raums erneut durchgeführt. Das Ergebnis blieb gleich. Die Ursache ist also viel eher ein soziokulturelles Männerbild vom Mann, der nichts kann. Männlich sein bedeutet Führungsstärke ohne Anzeichen einer Schwäche, Emotionslosigkeit mit Ausnahme lauten Grölens, Faulheit bei ständig währender körperlicher Energie, verantwortungslose Risikofreude neben der Bürde für andere zu sorgen, Profilierungsdrang trotz anstrengender Wortkargheit. Sie ist eine gefährliche-fortwährende-ignorante-unkontrollierbare-kriminelle-tierhafte-sexuelle Lust, bedarf ständigem schmunzelnden Tadel (um sie auch ja einzuverleiben) und wird nicht infrage gestellt. Kein Wunder, dass das Bundesjustizministerium solchen Wesen kein Kind anvertrauen will.
Menschen zeichnen sich demgegenüber durch die Nutzung ihres starken Verstandes aus, sie haben Emotionen und Formen diese auszudrücken. Sie kümmern sich um ihr Umfeld und haben eine weitreichende Kommunikationsbegabung. Wie viele Bedürfnisse des Mensch-Seins gesteht unsere Gesellschaft Männern zu, wenn all das nicht männlich ist?
Die Folgen dieser Bedürfnis-Verwehrung sind schon lange hinreichend bekannt. Die höhere Suizidrate, schlechtere Schulabschlüsse inklusive mehrheitlich männlichen Schulabbrechern, ein deutlicher Überhang männlicher Straftäter, die seltenere Inanspruchnahme medizinischer (Vorsorge-)Untersuchungen, Aggressionsstörungen, der Hang zum Rechtsextremismus und die Unfähigkeit die eigene Hilfsbedürftigkeit zu kommunizieren, werden immer wieder als Folge toxischer Männlichkeit aufgezählt. Angenommen hat sich dem bis jetzt keine verständige, annehmbare Vertretung in den feministischen oder antifeministischen Männerrechtsbewegungen. Männer und Schutzwürdigkeit passt nun Mal weiterhin nicht zusammen.
Gerade die liberal-feministische Bewegung muss ein Interesse daran haben, dem ein Ende zu setzen. Nicht nur aus Gerechtigkeitserwägungen ist es unabdingbar alle Geschlechter zur Emanzipation von vorgegebenen Geschlechterstereotypen zu ermächtigen. Alte Geschlechterrollen ergänzen sich gegenseitig. Nur in dieser Gegenseitigkeit sind sie auch auflösbar. Sollen Rollenbilder der Frau überkommen werden, müssen Männlichkeitsbilder mitgedacht und antifeministischen Männerrechtsbewegungen der Wind aus den Segeln genommen werden. 80 Jahre nach Simone de Beauvoirs grundlegender Ausarbeitung zum Sexus der Frau ist die Erweiterung auf alle Geschlechter längst überfällig. Man wird eben nicht als Mann geboren, man wird zum Mann gemacht.
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