Jeden Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Ex- oder aktuellen Partner versucht zu töten, jeden zweiten Tag gelingt dies. [1] Was in medialer Berichterstattung wiederkehrend als „Beziehungsdrama“, „Familientragödie“ oder „Ehrenmord“ verklärt wird, ist regelmäßig die Tötung einer Frau aus Wut über Abweisung patriarchalischer Besitzansprüche, Eifersucht und „Bestrafung“ über ein als solches wahrgenommenes, widerfahrenes Unrecht.
In der deutschen Strafgesetzgebung bestehen dennoch weiterhin eklatante Lücken bezüglich einer konsequenten Strafverfolgung und einheitlichen Verurteilung von Femiziden.
Zwar lässt sich ein Femizid grundsätzlich auch heute schon in der aktuellen Fassung des §211 StGB als Mord subsumieren. Indes zeigt die bisherige Rechtsprechung, dass Tötungen von Frauen in der Realität häufig nicht als Mord, sondern zugunsten einer geringeren Strafe des Täters als Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt werden.
Deutsche Gerichte tun sich bisher schwer damit, der konsequenten Verurteilung von Femiziden vollumfänglich nachzukommen. So mangelt es häufig an einer kritischen und tiefgehenden Analyse der Beweggründe, die zu Femiziden führen. Nicht selten werden die Tötungen als Einzelschicksale ohne strukturellen Hintergrund betrachtet, wobei zur Verneinung des Mordmerkmales des niedrigen Beweggrundes noch darüber hinaus auf „emotionale Ausnahmezustände“ des Täters abgestellt wird. Misogynie und die Femiziden innewohnende Vorstellung geschlechtsspezifischer Ungleichheit werden als Tatmotive verkannt und finden in der Strafzumessung auch nach der Reform des §46 StGB keine ausreichende Berücksichtigung. Im Ergebnis läuft die aktuelle Rechtsprechung deshalb tendenziell auf eine sachlich nicht zu rechtfertigende Privilegierung trennungstypischer Tötungsbeweggründe hinaus.
Um diesem Missstand Rechnung zu tragen, sollte die Justiz nicht alleine gelassen werden, anhand der bisherigen Systematik des §211 StGB Recht zu sprechen. Vielmehr muss der Femizid anhand eines eigenen strafrechtlichen Instruments als solcher erkannt und geahndet werden können, um einen entscheidenden Weg hin zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft zu beschreiten.
Daher fordern wir die Reform des §211 StGB durch Ergänzung des subjektiven Mordmerkmales der „Tötung aufgrund geschlechterspezifischer Motive“.
Zusätzlich bedarf es einen umfassenden Aktionsplan, der das Prinzip „Name it, Count it, End it“ verfolgt. Die zentralen Forderungen dieses Prinzipies sind,
- Die Einführung einer erweiterten Typologie zur Klassifizierung von Femiziden, um direkte und indirekte Tötungen von Frauen aufgrund ihres Geschlechts in offiziellen Statistiken besser erfassen und nachvollziehen zu können.
- Einheitliche Datenerfassung in allen EU-Staaten, unter anderem durch nationale Register und regelmäßige Veröffentlichungen, um ein umfassendes Bild der Femizid-Fälle zu ermöglichen und stereotype Darstellungen in Medien zu verhindern.
- Entwicklung von Risiko-Bewertungsinstrumenten, Schulungen für Polizei und Justiz sowie mehr Schutzangebote wie Frauenhäuser. Zudem wird eine gezielte Primärprävention gefordert, die insbesondere junge Männer und Jugendliche anspricht, um strukturelle Gewalt gegen Frauen präventiv anzugehen und das gesellschaftliche Bewusstsein zu fördern.Diese Forderungen zielen darauf ab, die Ursachen und Strukturen geschlechtsspezifischer Gewalt sichtbarer zu machen, betroffene Frauen zu schützen und Femizide durch konsequente Präventionsmaßnahmen zu verhindern.
Sunset-Klausel: 3 Jahre
Fußnoten:
[1] kriminalstatistische Auswertung des Bundeskriminalamts 2023 zu Partnerschaftsgewalt, zit. nach https://unwomen.de/gewalt-gegen-frauen-in-deutschland/