Die in diesem Jahr in Kraft getretene Teillegalisierung von Cannabis stellt einen wichtigen Meilenstein in der deutschen Drogenpolitik dar. Erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik wurde damit ein Betäubungsmittel aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen. Die Reform signalisiert einen notwendigen Wandel im gesetzlichen Umgang mit Cannabis und bringt das Betäubungsmittelrecht in Einklang mit zeitgemäßen gesellschaftlichen Entwicklungen. Dieser Schritt ist ausdrücklich zu begrüßen. Da sich der Gesetzgeber bislang nur auf eine Teillegalisierung einigen konnte, ist der verantwortungsvolle Konsum von Cannabis in vielen Bereichen noch unzureichend geregelt. Dies schafft erhebliche Rechtsunsicherheiten sowohl für Konsumenten als auch für Anbauvereinigungen, die unter den aktuellen Bestimmungen oft keine klare Orientierung finden.
Das Konsum-Cannabisgesetz
Der Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass Verstöße gegen das allgemeine Umgangsverbot strafrechtlich verfolgt werden sollten. Allerdings hat das Abstinenzprinzip des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), das den Besitz kleiner Mengen strafbar macht, seine Gültigkeit verloren. Das neue Konsum-Cannabisgesetz (KCanG) erkennt den Konsum ausdrücklich an und schafft erstmals die Möglichkeit einer legalen Versorgung mit Cannabis.
Die enge Anlehnung an das BtMG hat jedoch dazu geführt, dass das KCanG faktisch zu einem bloßen Ableger des BtMG verkommt. Anstatt die gesetzlich vorgesehene „geänderte Risikobewertung“ in der Praxis umzusetzen, wird die veraltete Dogmatik unverändert übernommen. Die Regelungen sind in vielen Bereichen zu restriktiv, willkürlich und nicht zielführend.
Daher fordern wir folgende Anpassungen des KCanG:
Begriff der “nicht geringen Menge” anpassen
Im KCanG wurde die im BtMG bereits umstrittene Regelung zur „nicht geringen Menge“ übernommen. Nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 des KCanG drohen bei sogenannten „nicht geringen Mengen“ erhöhte Strafen, die bei einer Freiheitsstrafe von drei Monaten beginnen. Das Gesetz definiert jedoch nicht konkret, was als „nicht geringe Menge“ gilt, wodurch die Klärung dieser Frage den Gerichten überlassen bleibt – ähnlich wie im BtMG. In der Begründung zum Cannabis-Konsumgesetz wurde jedoch angedeutet, dass ein neuer Ansatz verfolgt werden soll. Die Rechtsprechung sollte den spezifischen Schwellenwert unter Berücksichtigung einer veränderten Risikobewertung festlegen.
Trotz dieser Ankündigung hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Willen des Gesetzgebers missachtet und hält an der restriktiven Auslegung aus dem Jahr 1984 fest, die einen Wirkstoffgehalt von 7,5 Gramm THC als „nicht geringe Menge“ definiert. Die Richter machen in ihren Ausführungen deutlich, dass sie die geänderte Risikobewertung der Legislative nicht akzeptieren und betrachten die Begründung zum Cannabis-Konsumgesetz, die einen deutlich höheren Wert fordern, als unverbindlich.
Dieser Beschluss erscheint unangemessen und steht im Widerspruch zum strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG. Dieser Grundsatz verbietet der Rechtsprechung, die Voraussetzungen für eine Bestrafung gegen den Willen des Gesetzgebers festzulegen.
Daher fordern wir die gesetzgeberische Konkretisierung der Begriffsdefinition der „nicht geringen Menge“ im KCanG mittels einer angemessenen Risikobewertung, bei Nichtmöglichkeit die komplette Streichung dieses Begriffs.
Weitergabeverbot abschaffen
Das Verbot der Weitergabe von selbst angebautem Cannabis gemäß §§ 9 Abs. 2, § 34 Abs. 1 Nr. 8 KCanG, schränkt Konsumenten erheblich ein. Ihnen ist untersagt, ihr eigenes Cannabis zu teilen oder weiterzugeben, wodurch sie lediglich die Möglichkeit haben, selbst Cannabis anzubauen oder als Mitglied eines Social Clubs zu erwerben. Allerdings kann es aufgrund des bürokratischenAufwands, den die Clubs bewältigen müssen, lange dauern, bis diese Option tatsächlich zur Verfügung steht. Die begrenzte Verfügbarkeit legaler Beschaffungsmöglichkeiten gefährdet ein zentrales Ziel der Cannabislegalisierung: die Bekämpfung des Schwarzmarktes. Die Befürchtung, dass dies das illegale Handeltreiben fördern könnte, ist jedoch unbegründet, da das KCanG und das BtMG umfassende Regelungen enthalten wie etwa § 34 Abs. 4 Nr. 1, der bei gewerbsmäßigem Handel ein höheres Strafmaß vorsieht. Das bestehende Verbot trägt nicht zur Eindämmung des Schwarzmarktes bei, sondern schränkt lediglich die Konsumenten ein.
Aus diesem Grund fordern wir die Abschaffung von § 9 Abs. 2 KCanG und § 34 Abs. 1 Nr. 8 KCanG.
Begriff des “bandenmäßigen Handeltreiben” streichen
Die Qualifikationen des § 34 KCanG beinhalten das „bandenmäßige Handeltreiben“, ein Begriff, der auch aus dem BtMG stammt und zur Bestrafung schwerer Formen organisierter Kriminalität verwendet wird. Gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG wird bandenmäßiges Handeln mit einer nicht geringen Menge mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten geahndet. Diese Gleichsetzung verkennt jedoch die geringen Anforderungen, die an den Bandenbegriff gestellt werden. Laut Rechtsprechung fällt bereits eine (Wohn-)Gemeinschaft von drei oder mehr Konsumenten, die gemeinsam Cannabis anbauen und Teile davon zur Kostendeckung weiterverkaufen, unter diesen Begriff. Dies birgt die Gefahr einer Überkriminalisierung von Delikten, die in keinerlei Beziehung zur organisierten Kriminalität stehen.
Daher setzen wir uns für die Streichung dieses Begriffs aus dem § 34 KCanG.
Mitgliedergrenzen für Anbauvereinigungen abschaffen
§ 16 Abs. 2 KCanG setzt eine Obergrenze von 500 Mitgliedern für Anbauvereinigungen fest. Wir halten diese Begrenzung für willkürlich und unbegründet. Die Beschränkung der Mitgliederzahl führt zu einer künstlichen Verknappung des Angebots, was legale Bezugsquellen erheblich einschränkt und das Ziel, den Schwarzmarkt einzudämmen, stark gefährdet.
Daher fordern wir die Streichung von § 16 Abs. 2 Satz 1 KCanG.
Konsum in Anbauvereinigungen erlauben
Um keinen Anreiz für den Cannabiskonsum zu schaffen, hat der Gesetzgeber mit § 5 Abs. 2 Nr. 6 den Konsum von Cannabis in Anbauvereinigungen untersagt. Wir lehnen dieses Verbot ab. Die Begründung basiert lediglich auf einer Vermutung und nicht auf konkreten Belegen, die zeigen, dass der Konsum in den Anbauvereinigungen den Konsum allgemein fördert. Stattdessen verhindert dieses Verbot einen sicheren Konsum in einem kontrollierten Umfeld.
Daher setzen wir uns für die Streichung von § 5 Abs. 2 Nr. 6 KCanG ein.
Cannabis für Streitkräfte
Wie bei Tabak oder Alkohol, muss ein gemäßigter und verantwortungsvoller Konsum von Cannabis auch für Angehörige der Streitkräfte möglich sein.
Daher fordern wir klare Regeln für den Konsum in den Streitkräften, die den Anforderungen an den Dienstbetrieb, insbesondere im Umgang mit Waffensystemen, gerecht werden.
Säule 2 für eine echte Legalisierung
Die im April in Kraft getretene Teillegalisierung bildet die erste Säule des Zwei-Säulen-Modells CARe („Club Anbau & Regional-Modell“). Säule-2 soll regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten ermöglichen. Um dabei nicht gegen EU-Recht zu verstoßen, sollen die Vorhaben in wissenschaftlich konzipierter, regional und zeitlich begrenzter Form umgesetzt werden. Ohne die Umsetzung der zweiten Säule werden viele Probleme der Prohibition unnötig in die Länge gezogen. Aus kriminologischer Sicht ist es wichtig, zügig mit den bereits lange angekündigten Modellprojekten zu starten. Ohne einen leicht zugänglichen legalen Markt wird der Schwarzmarkt kaum spürbar reduziert.
Ein Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für die zweite Säule der Cannabis-Teillegalisierung steht weiterhin aus. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat hingegen bereits einenEntwurf für eine „Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung“ (KCanWV) erarbeitet.
Wir fordern die aktuelle Ampelkoalition daher auf, die KCanWV noch in dieser Legislaturperiode zu erlassen oder auf deren Grundlage einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, der der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt werden kann.
Sunset-Klausel: 1 Jahr