Deutschlands „grüner Lunge“ geht es schlecht. Das zeigen die jüngsten Analysen der vierten Bundeswaldinventur, in der das Thünen-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft die Gesundheit der forstwirtschaftlichen Flächen und Wälder Deutschlands im Zeitraum von 2012 bis 2022 untersucht hat. Der Bericht hebt hervor, dass insbesondere die Dürrejahre zwischen 2018 und 2021 das Waldökosystem tiefgreifend geschädigt haben. Auch in der Realität erleben wir diese Verschlechterung der Waldgesundheit, wie etwa durch den großflächigen Brand eines Nadelwaldes am Brocken im Sommer dieses Jahres.
Vor allem Fichten und andere Nadelbäume, die in Deutschlands sommergrünen Laub- und Mischwäldern nicht ursprünglich beheimatet sind, haben in den letzten Jahren stark unter Stürmen, Trockenheit und einer anschließenden Massenvermehrung des Borkenkäfers gelitten. Dies führte zu einem Rückgang von nahezu 20 % ihres Bestandes im Vergleich zu 2012.
Während die relative Fläche des Laubwaldes im Vergleich zum Jahr 2012 um 7% zunahm, führten ebenjene Fichtenkalamitäten zu einer erschreckenden Erkenntnis: Die Einbindung von Kohlenstoff durch Deutschlands Wälder ist seit Jahrzehnten erstmals niedriger als dessen Freisetzung. Das heißt konkret: wo der deutsche Wald in den letzten Jahren noch CO2 aus der Atmosphäre zu binden vermochte, wird er heute zur Kohlenstoffquelle.
Die Jungen Liberalen Niedersachsen zeigen sich besorgt über diese alarmierenden Entwicklungen in unseren Wäldern, die rund 2.200 Millionen Tonnen Kohlenstoff speichern. Damit der deutsche Wald in Zukunft wieder als Kohlenstoffsenke fungieren kann und gleichzeitig die Artenvielfalt und Biodiversität erhalten bleibt, sind eine Reihe von Maßnahmen erforderlich. Angesichts der zunehmenden Kalamitäten durch Schädlingsbefall und des fortschreitenden Klimawandels werden jedoch auch die ambitioniertesten Maßnahmen nur langfristig Wirkung zeigen. Dennoch müssen sie jetzt ergriffen werden. Dies sollte jedoch im Dialog mit den vielen Waldbesitzerinnen und Förstern geschehen, die sich seit jeher um den Forstbestand Deutschlands kümmern. Wir Jungen Liberalen Niedersachsen fordern daher:
1. Keine Überregulierung und Bevormundung durch eine Überarbeitung des Waldgesetzes:
Nach der Bundeswaldinventur hat Landwirtschaftsminister Cem Özdemir eine Überarbeitung des Bundeswaldgesetzes aus dem Jahr 1975 angekündigt. Die Jungen Liberalen Niedersachsen begrüßen diese Initiative, um das Gesetz im Angesicht des Klimawandels endlich an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen.
Wir fordern jedoch Zurückhaltung bei der Einführung neuer bürokratischer Vorschriften. Mehr als die Hälfte des deutschen Waldes befindet sich in den Händen unzähliger verantwortungsvoller und fachkundiger privater Waldbesitzer, die über das notwendige Know-how und die Erfahrung verfügen, um Deutschlands „grüne Lunge“ gesund zu erhalten. Statt neuer Vorschriften sollten wir daher die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer in ihren Bemühungen unterstützen, die Waldflächen zukunftsfähig und resilient zu machen.
Fernerhin regelt das BWaldG festgelegte Quoten der Pflanzung einzelner Baumarten bei der Aufforstung – ob durch private oder öffentliche Waldbesitzer. Bei kommenden Aufforstungen des bestehenden Bestandes fordern wir mehr Freiheit bei der Auswahl der Baumarten die eine staatliche Förderung erhalten. Waldbesitzer sollten nicht verpflichtet werden 51% heimische Baumarten zu Pflanzen, sondern die Möglichkeit haben den Standortbesten zu finden. Eine Förderung sollte auch bei einer Mehrheit nicht heimischer Baumarten greifen.
Außerdem gilt es die Erweiterung des verpflichtenden Abstands von Rückegassen auf 40 Meter abzulehnen. Moderne Forstgeräte haben die Möglichkeit 10 meter in den Bestand zu Arbeiten. Eine verpflichtende Erweiterung würde eine maschinelle Arbeit unterbinden und von der Arbeit mit der Motorsäge abgelöst werden. Die Gefahr für Forstarbeiterinnen und Forstarbeiter wäre bedeutend höher und die Schäden, primär im Schwachholzbestand, größer. Diesen Blick in den Rückspiegel sollten wir uns als eine Partei des Fortschritts nicht leisten.
2. Unterstützung für selbstregulierende Waldökosysteme:
Da 29% der Waldflächen den Bundesländern und 3% dem Bund selbst gehören, sind sowohl Länder als auch Bund dazu aufgefordert, nachhaltige und wirksame Strategien zu entwickeln, kosteneffizient Wälder zu erhalten und jene Lebensgrundlagen zu schützen, die sie für eine Vielfalt von Arten bieten. Unter Forstökologen ist es längst Konsens, dass nachhaltige Forstwirtschaft langfristig nur unter der Prämisse vollzogen werden kann, dass das Ökosystem Wald ein selbstregulierendes, ohne anthropogene Außensteuerung auskommendes System darstellen muss. Deshalb fordern wir das Land Niedersachsen wie auch den Bund dazu auf, Pilotprojekte auszuloben, die es zum Ziel haben, Wälder gänzlich ohne menschliche Fremdsteuerung und energieaufwendige Eingriffsmaßnahmen bestehen zu lassen.
3. Reduzierung der Belastungen der Forstwirtschaft aus Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes:
Das freie Betretungsrecht von Waldflächen (§14 BWaldG) ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern zu Recht die Nutzung des Waldes als Erholungsquelle, auch wenn er von privaten Eigentümern bewirtschaftet wird. Für private Waldbesitzer entsteht dadurch jedoch ein erheblicher ökonomischer Mehraufwand, um die Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes sicherzustellen, wie etwa durch eine Verringerung der Rohholzerzeugung zugunsten der Erholungsqualität. Die entstehenden Belastungen werden jährlich durch das Thünen-Institut für Waldwirtschaft berechnet.
Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern daher, dass Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer den Mehraufwand für Schutz- und Erholungsleistungen bei den zuständigen Bundesländern zumindest teilweise geltend machen können. So wären sie nicht mehr ausschließlich auf Einnahmen aus dem Rohholzverkauf angewiesen, sondern könnten die durch diese Leistungen entstehenden Kosten zumindest teilweise kompensieren.
Das Waldgesetz, auf das in diesem Antrag Bezug genommen wird, entstand unter liberaler Regierungsbeteiligung in den 1970er Jahren. Bei einer Novellierung dieses Gesetzes könnten erneut liberale Kräfte eine entscheidende Rolle beim Schutz von Umwelt und Natur spielen. Dies kann jedoch nur im partnerschaftlichen und respektvollen Dialog mit Waldbesitzerinnen und Förstern geschehen.
Sunset-Klausel: 5 Jahre